Die Geschichte des Warschauer Königsschlosses ist einzigartig. Es wurde im XIV. Jh. als Sitz der Herzöge von Masowien gebaut. Im XVI. Jh. wurde das Warschauer Schloss die Residenz der Könige und Tagungsort des Parlaments im Doppelreich Polen-Litauen. Anfang des XVII. Jh. verlegte der König Sigismund III aus der schwedischen Dynastie der Wasa die Hauptstadt von Krakau nach Warschau und ließ seine neue Residenz ausbauen. Damals ist aus dem Schloss ein Bauwerk von ungefähr demselben Grundriss wie heute geworden: fünfflügeliges Gebäude im Innenhof, das in seiner Schlichtheit und ausgewogenen Proportionen eher an ein Rathaus erinnert. Im XVII. Jh. galt das Warschauer Schloss als eine der stattlichsten Monarchenresidenzen in Europa.
Im XVIII. Jh. war das Schloss das Amtsgebäude der Behörden der jeweiligen Teilungsstaaten von Polen: es fiel zuerst an Preußen und dann an Russland.
Paradoxerweise erlebte das Schloss gerade zur Herrschaftszeit des letzten polnischen Königs Stanisław August Poniatowski, der an seinem Hof eine ganze Schar hervorragender Künstler beschäftigte, ihre zweite Blütezeit. Einer der Künstler war der herausragende Porträtist Marcello Baciarelli, der eine Sammlung von Königsporträts schuf. Diese Porträts sind in einem eigens dafür eingerichteten Raum ausgestellt, dem mit schwarzen Marmor verkleideten Rittersaal. Bei einem weiterem Künstler handelt es sich um den als Canaletto bekannten Venezianer Bernardo Belotto, der im Auftrag des Königs 23 Ansichten von Warschau geschaffen hat. Die Genauigkeit, mit der er die Architektur der Stadt wiedergab, erwies sich beim Wiederaufbau von Warschau nach dem Zweiten Weltkrieg von unschätzbarem Wert, da gerade diese Ansichten als die einzigen Zeugnisse davon, wie Warschau einst ausgesehen hatte, den Architekten als Vorlagen dienten. Die Werke von Canaletto kann man heutzutage in dem Canaletto-Saal bewundern, dessen Wände vollständig mit eigens für diesen Saal geschaffenen Gemälden bedeckt sind. Auch bei politischen Unternehmungen des Königs spielte das Schloss eine bedeutende Rolle. Das bedeutendste Werk, das im Schloss seinen Anfang nahm, war die erste und die älteste demokratische Verfassung in Europa und die zweite in der Welt, die hier am 3. Mai 1791 verabschiedet wurde. Es ist also auch ein Ort, an dem die europäische und polnische Demokratie ihre Gestalt annahm. Im XIX. Jh war das Schloss Sitz der zaristischen Statthalter, und seine nächste Umgebung Schauplatz großer patriotischer Ereignisse.
Nachdem Polen 1918 die Eigenstaatlichkeit wiedererlangt hatte, wurde das Schloss erneut zu einem Repräsentationsgebäude und fungierte u.a. als Sitz des polnischen Präsidenten. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges befand sich das Schloss sehr bald in Gefahr. Bereits im September 1939 hatte Hitler das Urteil gegen das Schloss gesprochen. Das Schloss sollte als Denkmal der polnischen Kultur und Geschichte für immer von der Erdoberfläche verschwinden. Die Deutschen hatten bereits im Jahre 1939 in die Schlossmauern Tausende von Löchern für die Sprengsätze gebohrt. Unter diesen Umständen retteten Kunsthistoriker und Architekten aus dem Königschloss alles, was gerettet werden konnte. Im Winter 1939/1940 bauten sie unter Lebensgefahr und bei 20 Grad Kälte Türen, Fußböden, Kamine, Holztäfelungen ab. Innerhalb von 3 Wochen lagerten sie fast 80% der Kunstwerke in die Keller des Nationalmuseums aus, wodurch sie den Krieg überdauern konnten. Glücklicherweise konnte auch ein Teil der sich im Schloss befindlichen Gemälde, u.a. Werke von Canaletto, versteckt werden. Während des Warschauer Aufstands im September 1944 füllten deutsche Pioniere Sprengsätze in die 1939 gebohrten Löcher und sprengten die Schlossmauern in die Luft. Von der einst königlichen Residenz blieb nur eine Wand erhalten. Das 1939 gesprochene Urteil wurde vollstreckt.
Im Jahre 1949 erließ das Parlament ein Dekret über den Wiederaufbau des Königsschlosses, obwohl die Kommunisten grundsätzlich dagegen waren, die alte Residenz der polnischen Könige zu rekonstruieren. 1971 nutzte man aber eine politische Wende in Polen und beschloss den Wiederaufbau des Schlosses. Die Rekonstruktion des Schlosses wurde größtenteils aus Privatspenden finanziert. Das Hauptkonzept für den Wiederaufbau sah vor, dem Schloss sein Aussehen aus der Zeit vor dem Kriege wiederzugeben und dabei alle geretteten und erhalten gebliebenen Elemente zu integrieren. Nach 3 Jahren (im Jahre 1974) war das Schloss im Rohbau fertig. In den nächsten Jahren wurden Innenräume rekonstruiert und eingerichtet. Hunderttausende von originalen Teilen, die im Zweiten Weltkrieg gerettet wurden, sind an ihrem angestammten Platz zurückgekehrt. Im Jahre 1980, noch bevor die Rekonstruktion der Innenräume zu Ende gebracht war, wurde das Königsschloss in die Weltkulturerbeliste der UNESCO eingetragen, als Anerkennung für diese beispiellose Leistung des Wiederaufbaus. Ausländische Besucher staunen immer wieder, wenn sie erfahren, dass dieses Gebäude vor über 40 Jahren gar nicht existierte. Was heutzutage an diesem Ort zu sehen ist, stammt nahezu vollständig aus den Jahren 1971-1988.