Museum der Geschichte der polnischen Juden

 

 

Im April 2013, zum 70. Jahrestag des Ausbruchs des Aufstandes im Warschauer Ghetto, nahm das Museum zur Geschichte der polnischen Juden seine Programmtätigkeit auf. Es ist weltweit das erste und einzige Museum, das die tausendjährige Geschichte der in Polen lebenden jüdischen Bevölkerung beschreibt – vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Dies ist nicht das nächste Holocaust-Museum, sondern ein Museum für das Leben.

Der Standort des Museums hat starken Symbolcharakter: Es steht mitten im Herzen des Stadtteils Muranów, direkt gegenüber dem Denkmal für die Warschauer Ghettohelden. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte sich genau hier das Zentrum jüdischen Lebens befunden. Nach der Besetzung durch die Nationalsozialisten wurde dieser Stadtteil 1940 an das Gebiet des rasch eingerichteten Warschauer Ghettos angeschlossen. Ab 1942 trieb man die Ghettobewohner genau hier entlang zum nahe gelegenen „Umschlagplatz“, von wo aus sie in das nordöstlich von Warschau gelegene Vernichtungslager von Treblinka deportiert wurden. 1943 tobten während des Ghettoaufstandes genau hier die Kämpfe der Aufständischen. Nach der Niederschlagung dieses Aufstandes machten die nationalsozialistischen Besatzer das Gebiet des ehemaligen Ghettos völlig dem Erdboden gleich. Nach Kriegsende enthüllte man bereits 1948 das Denkmal für die Warschauer Ghettohelden. Genau vor eben diesem Denkmal machte 1970 Bundeskanzler Willy Brandt seinen berühmten Kniefall, wodurch er all Jenen seine Ehrerbietung erwies, die hier ihr Leben gelassen hatten.

Das Museumsgebäude selbst ist schon eine Attraktion. Seine Gesamtfläche beträgt 12.800 m². Bei dem 2005 international ausgeschriebenen Architekturwettbewerb gewann unter hundert eingereichten Projekten das des finnischen Studios Lahdelma & Mahlamäki. Der Eingang zum Museum befindet sich auf der dem Denkmal zugewandten Seite. Laut dem Vorhaben der finnischen Architekten ergänzt das Museum das Denkmal mit dem historischen Kontext. Das Denkmal erinnert an jene Menschen, die hier starben. Das Museum erzählt von den Menschen, die hier lebten.

Außen fesselt die mit Glaspaneelen überzogene Fassade die Aufmerksamkeit der Besucher, auf denen ein Mosaik aus lateinischen und hebräischen Lettern eingelassen wurde, die ein Muster aus dem sich immer und immer wiederholenden Schriftzug „Po-lin“ ergeben, wodurch an die Legende der ersten jüdischen Siedler auf polnischem Gebiet angeknüpft werden soll. Am Eingang wurde eine Mesusa aus Ziegelstein angebracht, die aus einer der Straßen in der Umgebung stammt. Diese ist für die jüdischen Museumsbesucher besonders wichtig, und zwar zugleich als stummer Zeitzeuge und als Symbol für das sich in Polen erneuernde jüdische Leben.

Das Innere des Gebäudes wiederum überrascht – ähnlich wie das Relief des Denkmals – durch seine Dynamik. Die Haupthalle wird durch eine riesige ungleichmäßig gewellte Wand geschaffen, welche weltweit die Einzige dieser Art ist, da sie gleichzeitig als tragende Wand fungieren muss. Die Halle öffnet sich auf der einen Seite zum Denkmal für die Warschauer Ghettohelden, auf der anderen zu einem Park hin. Der leere Raum im Museumsinnern symbolisiert den Bruch, der sich mit der Vernichtung in der Geschichte der Juden vollzogen hat. Doch damit nicht genug: Die sich über die Halle aufsteigende Brücke erfüllt die Funktion eines Bindeglieds zwischen Vergangenheit und Zukunft. Somit verbindet der Architekt auch beim Gebäudeinneren die Symbolik des Ortes mit der Funktionalität.

Zentrales Element des Museums wird die Hauptausstellung sein, die tausend Jahre Geschichte der jüdischen Bevölkerung Polens präsentiert. Ab 2014 wird sie für Besucher zugänglich sein und nimmt mit 4.000 m² Fläche etwa ein Drittel der Gesamtfläche des Museums ein. An der Ausstellungskonzeption arbeitete in den vergangenen acht Jahren ein internationales Team, bestehend aus 120 HistorikerInnen und MuseologInnen. Den Ausstellungsautoren schwebte vor, ein narratives Museumskonzept zu erarbeiten in dem Besucher nicht nur Gäste sind, sondern quasi mit den Augen der Beteiligten die Ereignisse betrachten können.

Das Museum zur Geschichte der polnischen Juden wird wesentlich mehr darstellen als nur eine umfangreiche Exponatensammlung. Es ist das größte Kulturprojekt und eine neue architektonische Visitenkarte des modernen Warschau. Also: herzlich willkommen zum baldigen Besuch im diesem Museum!

Übersetzung: Susanne Kramer-Drużycka